Zöliakie - Fallstudie  

 

Ist Zöliakie mit einer Turnkarriere vereinbar? 

 

September 2016: Erste Vorstellung in der Hausarztpraxis 

Klara, eine 24-jährige Frau mit Liebe zum Turnsport, wendet sich an ihren Hausarzt, weil sie in den letzten 12 Monaten häufiger Gesichtsrötungen hatte. Sie bemerkte, dass diese Errötungsepisoden im Laufe der Zeit häufiger geworden waren und länger zu dauern schienen. Im Spätsommer spannte und juckte ihre Gesichtshaut, und es bildeten sich mit Eiter gefüllte Pickel.

Aufgrund ihres Symptomprofils wurde bei Clara Rosacea diagnostiziert. Um das Risiko eines Aufflammens zu verringern, schlug der Hausarzt einen Behandlungsplan vor, der die Vermeidung potenzieller Auslöser einschließt, darunter:

  • Alkohol
  • Heiße Getränke
  • Koffein 
  • Käse
  • Scharfe Speisen
  • Turntraining

Oktober 2016: Folgetermin nach drei Wochen

Drei Wochen lang vermied Klara die von ihrem Hausarzt genannten möglichen Auslöser, zu denen auch die Unterbrechung ihres Trainings gehörte. Dennoch hatte sie mehrere Rosacea-Schübe und entwickelte weitere Symptome, wie Durchfall, Müdigkeit und Gewichtsverlust. 


 

  

Untersuchungen  

Aufgrund Klaras anhaltender Gesichtsrötung und der neuen Symptome beschloss der Hausarzt eine Reihe von Bluttests zu veranlassen, um neben der Rosacea auch andere mögliche zugrunde liegende Erkrankungen abzuklären: 

  • Vitamin D: niedrig (15 nmol/l)
  • Vitamin B12: niedrig (140 pg/ml)
  • Gewebstransglutaminase (tTG) IgA: positiv (52 U/ml, 5x ULN)
  • Gesamt-IgA: normal (1,8 g/l)
  • Spezifisches IgE gegen eine Reihe von Nahrungsmittelallergenen: negativ (<0,1 kUA/l)
  • Tryptase: leicht erhöht (16 µg/l)

Klara wurde negativ auf Nahrungsmittelallergien getestet, wies aber trotz einer ausgewogenen Ernährung mit Fleisch und Fisch einen Mangel an Vitamin D und B12 auf. Angesichts des ungeklärten Vitamin-B12-Mangels beschloss der Hausarzt, mit Bluttests auf Antikörper gegen Parietalzellen und intrinsischen Faktor auf perniziöse Anämie zu testen, die sich als negativ herausstellten.

Ungeklärter Eisen-, Vitamin B12- oder Folatmangel kann ein Zeichen für Zöliakie sein.1

 


 

 

Präzisierte Diagnose

Nach einem wiederholten tTG IgA-Test (51 U/ml, 5x ULN) hatte Klaras Hausarzt aufgrund ihrer Symptome, eines ungeklärten Vitamin B12-Mangels und eines erhöhten tTG IgA einen starken Verdacht auf Zöliakie. Der Hausarzt überwies sie an einen Gastroenterologen, der die Diagnose bestätigte.

tTG IgA ist der empfohlene First-Line-Test für die Zöliakie, zusammen mit Gesamt-IgA, um einen IgA-Mangel zu prüfen.2

 


 

  

Behandlungsplan

  • Cholecalciferol (1.600 IE) für 6 Monate
  • Intramuskuläres Hydroxcobalamin (1 mg) dreimal pro Woche für 2 Wochen
  • Glutenfreie Ernährung
  • Alle drei Monate Kontrolle zur Beurteilung, ob die Behandlung anspricht, einschließlich der Messung des tTG-IgA-Spiegels 

Es ist gängige Praxis, dass tTG IgA alle drei Monate bis zur Normalisierung und dann einmal jährlich als Indikator für die Einhaltung der Diät getestet wird.2

 

 


 

Januar 2017: Folgetermin nach 3 Monaten 

Nach drei Monaten strikter Einhaltung einer glutenfreien Ernährung hatten sich Klaras Rosacea- und Zöliakie-Symptome deutlich verbessert. Sie hatte keinen lästigen Durchfall mehr und das verlorene Gewicht wieder zugenommen. Auch wenn Klaras Haut nicht mehr spannte oder juckte, hatte sie noch gelegentlich Gesichtsrötungen

Klara sagte dem Hausarzt, dass sie jetzt viel mehr Energie habe und zu ihrem Turntraining zurückkehren konnte; sie habe das Gefühl, dass sich ihre Lebensqualität auf ein fast normales Maß verbessert habe.


 

Klaras Ergebnisse der Wiederholungsbluttests:

  • Vitamin D: normal (70 nmol/l)
  • Vitamin B12: normal (350 pg/ml)
  • tTG IgA: fallend (39 U/ml, 4x ULN)
  • Tryptase: immer noch leicht erhöht (15 µg/l) 

Aufgrund der erhöhten Tryptase überwies Claras Hausarzt sie an einen Spezialisten für Mastzellerkrankungen.

Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung einer Zöliakie mit glutenfreier Ernährung, die in Abstimmung mit einem Ernährungsberater eingeführt wird, kann zu Folgendem beitragen:

  • Vermindern des Risikos für einige Krebsarten,3 für Komplikationen bei Typ-1-Diabetes,4 für ein geringes Geburtsgewicht von Babys,3 und für eine verzögerte Pubertät3,5
  • Verbesserung der Knochendichte (wenn in jungen Jahren diagnostiziert),3,6 Dermatitis herpetiformis,7 Zustand der Darmschleimhaut,7 Anämie,5 und weiteren Krankheitssymptomen3,7
  • Behebung von Unfruchtbarkeit,3,5,8 Fehlgeburten3 und Menstruationsproblemen3

 

 

 


 

März 2017: Folgetermin nach drei Monaten 

Drei Monate später nach einem Termin bei einem Spezialisten für Mastzellerkrankungen wurde festgestellt, dass Klara ein erbliches Alpha-Tryptasemiesyndrom hatte. Dies erklärte die chronisch erhöhte Tryptase und Klaras Schwierigkeiten mit anhaltender Gesichtsrötung.

Klara hielt sich immer noch an eine strenge glutenfreie Ernährung und ihr tTG-IgA-Titer war auf 31 U/ml (3x ULN) gesunken.


 

April 2020: 3 Jahre später 

Klaras tTG-IgA-Spiegel kehrte 2019 wieder auf den Normalwert zurück, und sie hatte nun jährliche Kontrolltermine bei ihrem Hausarzt, um die Einhaltung der Ernährung und Symptome im Zusammenhang mit dem erblichen Alpha-Tryptasämie-Syndrom zu überwachen. 


 

Ihre Darmbeschwerden und Erschöpfung hatten sich durch eine glutenfreie Ernährung völlig aufgelöst, und sie feierte nationale Erfolge als Turnerin. Sie beschloss, ihren Vollzeit-Bürojob aufzugeben, um eine Turnsport-Karriere zu verfolgen.

Im April 2020 wurde bei ihrem jüngeren Bruder im Alter von 25 Jahren eine Zöliakie diagnostiziert, nachdem er mehrere Jahre unter intermittierenden Bauchschmerzen und Blähungen gelitten hatte.

Bei Verwandten des ersten Grades besteht eine Chance von 10 %, Zöliakie zu entwickeln.

Das Screening bei Angehörigen des ersten Grades und bei Verdacht auch bei Angehörigen des zweiten Grades können dazu beitragen, Patienten früher zu identifizieren und so das Risiko von Komplikationen zu verringern.10,11

 

 

 


 

Untersuchen Sie routinemäßig Angehörige ersten Grades auf Zöliakie?  
 

Ja Nein

 

Bei der vorliegenden Fallstudie handelt es sich um eine fiktive Darstellung, bei der ein Modellbild verwendet wurde.

IgA: Immunglobulin A; IgE: Immunglobulin E; ULN: obere Normalgrenze

1. Halfdanarson T R, Litzow M R, Murray J A. Hematologic manifestations of celiac disease. Blood 2007;109(2):412-421

2. Al-Toma A, Volta U et al. European Society for the Study of Coeliac Disease (ESsCD) guideline for coeliac disease and other gluten-related disorders. United European Gastroenterol J 2019;7(5):583-613

3. Murch S, Jenkins H et al. Joint BSPGHAN and Coeliac UK guidelines for the diagnosis and management of coeliac disease in children. Arch Dis Child 2013;98(10):806-811

4. Elfström P, Sundström J, Ludvigsson J F. Systematic review with meta-analysis: associations between coeliac disease and type 1 diabetes. Aliment Pharmacol Ther 2014;40(10):1123-1132

5. Bozzola M, Meazza C, Villani A. Auxo-endocrinological approach to celiac children. Diseases 2015;3(2):111-121

6. Grace-Farfaglia P. Bones of contention: bone mineral density recovery in celiac disease--a systematic review. Nutrients 2015;7(5):3347-3369

7. Ciacci C, Ciclitira P et al. The gluten-free diet and its current application in coeliac disease and dermatitis herpetiformis. United European Gastroenterol J 2015;3(2):121-135

8. Shah S, Leffler D. Celiac disease: an underappreciated issue in women's health. Womens Health (Lond) 2010;6(5):753-766

9. Lewis D, Haridy J, Newnham E D. Testing for coeliac disease. Aust Prescr 2017;40(3):105-108

10. Bonamico M, Ferri M et al. Serologic and genetic markers of celiac disease: a sequential study in the screening of first degree relatives. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2006;42(2):150-154

11. Singh P, Arora S et al. Risk of celiac disease in the first- and second-degree relatives of patients with celiac disease: a systematic review and meta-analysis. Am J Gastroenterol 2015;110(11):1539-1548