Saskia, eine 23-jährige Studentin, litt mehrere Jahre lang unter gelegentlichem Durchfall, als sie im August 2020 ihren Hausarztals um eine telefonische Konsultation bat. Im Laufe der Zeit hatte Saskia gelernt, mit dem Problem zu leben, und hatte sich selbst mit dem Reizdarmsyndrom (RDS) „diagnostiziert“.
Organische Erkrankungen wie Zöliakie sollten ausgeschlossen werden, bevor eine RDS-Diagnose gestellt wird.1 Lassen Sie sich in Ihrer klinischen Entscheidungsfindung nicht beeinflussen.
Zöliakie hat eine Prävalenz von 1 % in der Allgemeinbevölkerung3, aber nur 10 bis 50 % dieser Fälle werden diagnostiziert.4
Saskia erklärt ihrem Hausarzt, dass sie seit mehreren Jahren an einem Reizdarmsyndrom leide, das sie mit rezeptfreien Medikamenten behandelt. In den letzten zwei Monaten hatten sich ihre Symptome jedoch wie folgt verschlechtert:
Der Hausarzt stellte fest, dass Saskia in letzter Zeit nicht ins Ausland gereist war und dass es in ihrer Familie keine gastrointestinalen oder gynäkologischen Erkrankungen gab. Ihr Gewicht war stabil, und sie aß derzeit eine Reihe von Lebensmitteln ohne Einschränkungen in Bezug auf Gluten oder Milch. Sie hatte kein Blut im Stuhl und entleerte ihren Darm über Nacht nicht.
Saskia lebte in einer festen Beziehung, benutzte die kombinierte orale Empfängnisverhütungspille und verneinte jeglichen Stress in Bezug auf ihr Privatleben oder ihr Studium.
Der Hausarzt bemerkte, dass es keine Erwähnung von RDS in Saskias medizinischen Unterlagen gab. Auf weitere Nachfragen erklärte Saskia, dass sie sich nach einem Gespräch mit einem Freund, bei dem RDS diagnostiziert worden war, selbst „diagnostiziert“ habe, nachdem sie in Online-Foren über das Syndrom recherchiert hatte.
Da Saskia noch keine formale Diagnose erhalten hatte, wurde noch am selben Tag ein persönliches Beratungsgespräch zur weiteren Abklärung vereinbart.
Die Symptome der verschiedenen gastrointestinalen Erkrankungen sind sehr ähnlich5 was es für Patienten und Ärzte schwierig macht, die jeweilige Krankheit zu identifizieren.
Ihr Hausarzt führte eine gründliche Untersuchung des Abdomens durch, die keine Auffälligkeiten zeigte; es gab auch keine Anzeichen für eine Anämie oder Gelbsucht.
Saskia lehnte das Angebot einer Rektaluntersuchung ab, und da sie jung war und weder Tenesmus noch Rektalblutungen hatte, entschied der Hausarzt, dass es akzeptabel sei, auf diese Untersuchung zu verzichten. Für den Fall, dass die Symptome fortschreiten oder sich verändern sollten, wurden angemessene Vorsichtsmaßnahmen getroffen.
Der Hausarzt veranlasste die folgenden Bluttests:
Ein fäkaler Calprotectin-Test wurde in Erwägung gezogen, aber der Hausarzt entschied, dass es am besten sei, die Bluttestergebnisse abzuwarten, bevor über das weitere Vorgehen entschieden wird.
tTG IgA ist der empfohlene First-Line-Test für Zöliakie, zusammen mit Gesamt-IgA, um einen IgA-Mangel zu prüfen.6
Saskia wurde zwei Wochen später von ihrem Hausarzt angerufen, nachdem die folgenden Ergebnisse der Bluttests eingetroffen waren:
Der Hausarzt erklärte Saskia, dass ihre Symptome wahrscheinlich auf Zöliakie zurückzuführen seien und empfahl ihr, eine strikt glutenfreie Ernährung zu beginnen.
Die Prävalenz der Zöliakie bei Patienten, bei denen anhand der Symptomkriterien ein RDS diagnostiziert wird, beträgt bis zu 4,7 %.
28 % der Patienten mit Zöliakie erhalten zunächst eine Behandlung gegen RDS.8
Das Screening auf Zöliakie bei Patienten mit RDS kann, wie in internationalen Leitlinien empfohlen,9 beim Einordnen der Symptome helfen,10 die Lebensqualität verbessern und ist kostengünstig.11,12
Saskia wurde an eine Ernährungsfachkraft überwiesen, um sich speziell über die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Alternativen zu glutenhaltigen Lebensmitteln und die ausreichende Zufuhr von Kalzium und Eisen beraten zu lassen.
Zur Überwachung der tTG-IgA-Werte wurden alle drei Monate Untersuchungen durchgeführt, bis die Werte wieder normal waren. Zusätzlich wurde eine jährliche Kontrolle vereinbart, um Folgendes zu überprüfen:
Saskia wurde an die Zöliakiegesellschaft verwiesen, um bei Bedarf weitere Informationen und Unterstützung zu erhalten.
Es ist gängige Praxis, tTG IgA alle drei Monate bis zur Normalisierung und einmal jährlich als Indikator für die Einhaltung der Diät zu testen.6
Andere Autoimmunerkrankungen treten bei Patienten mit Zöliakie häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.3
Testen Sie tTG IgA bei Ihren Patienten mit Zöliakie alle 3 Monate bis zur Normalisierung des Wertes?
Bei der vorliegenden Fallstudie handelt es sich um eine fiktive Darstellung, bei der ein Modellbild verwendet wurde.
IgA: Immunglobulin A; tTG: Gewebstransglutaminase; ULN: obere Normalgrenze
1. Moayyedi P, Mearin F et al. Irritable bowel syndrome diagnosis and management: a simplified algorithm for clinical practice. United European Gastroenterol J 2017;5(6):773-788
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