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Kuhmilchallergie:
Praktischer Leitfaden

Die Kuhmilchallergie ist die häufigste Ursache für Nahrungsmittelallergien bei Kindern unter 3 Jahren, kann aber bei Patienten aller Altersgruppen diagnostiziert werden. Da sich die Symptome der Kuhmilchallergie mit denen anderer Magen-Darm-Erkrankungen überschneiden, ist eine angemessene Diagnostik unerlässlich, um eine Über- oder Unterdiagnostik zu vermeiden und somit die gesundheitliche Belastung der Patienten und ihrer Familien zu minimieren.1

In diesem evidenzbasierten Leitfaden wird der Weg zur präzisen Diagnose einer Kuhmilchallergie in der klinischen Praxis erläutert.

1. UND 2. SCHRITT: PRIMÄRVERSORGUNG


1. Anamnese und körperliche Untersuchung

Die Symptome einer Kuhmilchallergie können vielfältig und von unterschiedlicher Intensität sein. Viele Organsysteme sind betroffen, am häufigsten jedoch die Haut sowie der Magen-Darm-Trakt und die Atemwege. Sind 2 oder mehr Organsysteme beteiligt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Kuhmilchallergie erhöht.1

Sofortreaktionen und verzögerte Reaktionen sollten unterschieden werden. Es kann allerdings auch vorkommen, dass bei Patienten Kombinationen dieser beiden Reaktionstypen auftreten.1

  • Sofortreaktionen: treten innerhalb von Minuten bis zu 2 Stunden nach Aufnahme des Allergens auf und sind eher IgE-vermittelt.1
  • Verzögerte Reaktionen: können bis zu 48 Stunden nach der Aufnahme auftreten.1

Wenn eines der folgenden Anzeichen oder Symptome bei einem Säugling oder Kind auftritt und nicht durch eine andere Ursache erklärt werden kann, kann eine Kuhmilchallergie als mögliche Diagnose in Betracht gezogen werden:1

  • Kutan: Urtikaria, Angioödeme, Verschlimmerung einer atopischen Dermatitis
  • Gastrointestinal: Dysphagie, gastroösophagealer Reflux, Kolik, Bauchschmerzen, Erbrechen, Anorexie, Diarrhoe, Blut im Stuhl, Verstopfung, Eisenmangelanämie
  • Atemwege: Rhinorrhoe, Keuchen, chronischer Husten, Atemnot
  • Allgemein: Anaphylaxie, schockartige Symptome,* Gedeihstörung

*Anaphylaxie oder schockartige Symptome sind eindeutige Anzeichen für eine Überweisung an einen Allergologen.


2. Labortests wie z. B. spezifische IgE-Bluttests

Wenn die Anamnese des Patienten auf eine IgE-vermittelte Allergie hinweist, können spezifische IgE-Bluttests bei der Diagnose helfen.2,3 Spezifische IgE-Bluttests können in jedem Alter durchgeführt werden. Dabei werden mithilfe validierter Tests allergenspezifische IgE-Spiegel im Serum bestimmt.2 Zunächst sollte ein spezifischer IgE-Test auf den Allergengesamtextrakt (Kuhmilch) durchgeführt werden.3

Auswertung der Ergebnisse des spezifischen IgE-Bluttests auf den Allergengesamtextrakt1

  • Die Ergebnisse sollten immer im Zusammenhang mit der Patientenanamnese interpretiert werden.
  • Das Vorhandensein von spezifischen IgE-Antikörpern auf Kuhmilch weist auf eine Sensibilisierung gegenüber Kuhmilch und einen damit verbundenen IgE-vermittelten immunologischen Prozess hin.
  • Je höher der Antikörpertiter ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kuhmilchallergie vorliegt und die Allergie persistiert.
  • Bei Kindern mit gastrointestinalen Manifestationen der Kuhmilchallergie ist die Wahrscheinlichkeit eines negativen Ergebnisses größer als bei Kindern mit kutanen Manifestationen, jedoch schließt ein negatives Testergebnis eine Kuhmilchallergie nicht aus.

Mit Tests auf den Allergengesamtextrakt kann die Wahrscheinlichkeit einer Kuhmilchallergie eingeschätzt werden, aber nicht die Reaktivität auf gebackene Milch. Nach der spezifischen IgE-Bestimmung auf den Allergengesamtextrakt können Tests auf Kuhmilch-Allergenkomponenten helfen, die Reaktivität auf Backwaren zu bewerten und weitere Informationen über die Wahrscheinlichkeit einer Allergiepersistenz zu liefern.3

Die Bewertung spezifischer IgE-Reaktionen auf die folgenden Komponenten (Proteine) können dazu beitragen, bei Patienten mit einer Kuhmilchallergie die Diagnose zu verbessern und die Behandlungsentscheidungen zu unterstützen:3*

  • Alpha-Lactalbumin (f76 / nBos d 4)
  • Beta-Lactoglobulin (f77 / nBos d 5)
  • Rinderserumalbumin (e204 / nBos d 6)
  • Kasein (f78 / nBos d 8)

Da Kasein gegenüber einer Hitzedenaturierung resistenter ist als andere Bestandteile, reagieren Patienten mit hohen Kasein-spezifischen IgE-Werten wahrscheinlich auch auf gebackene Milch. Diese Patienten sollten daher den Verzehr von Milch in jeglicher Form vermeiden. Patienten, deren spezifischer IgE-Test auf Kasein negativ ausfällt, können möglicherweise sorgfältig durcherhitzte Milch, z. B. in Backwaren, vertragen.3

70 – 80 Prozent der Kinder mit Kuhmilchallergie reagieren nicht auf Milch in Backwaren.3
Erwägen Sie die Verwendung von Bluttests auf Allergenkomponenten, um diese Patienten zu identifizieren.3

3.-6. SCHRITT: SEKUNDÄRVERSORGUNG


3. Diagnostische Eliminationsdiät

Wenn relevante Symptome vorhanden sind und eine Kuhmilchallergie vermutet wird, sollte eine diagnostische Eliminationsdiät eingeleitet werden. Dabei sollte Kuhmilch für einen begrenzten Zeitraum strikt von der Ernährung des Patienten (oder der Mutter bei Stillkindern) ausgeschlossen werden.1

Die Dauer der Eliminationsdiät sollte so kurz wie möglich gehalten werden, aber auch lang genug sein, um beurteilen zu können, ob die klinischen Symptome verschwinden oder sich stabilisieren. Empfehlungen für den erforderlichen Zeitraum sind z. B.:1

  • 3 - 5 Tage bei Patienten mit Sofortreaktionen
  • 1 - 2 Wochen bei Patienten mit verzögerten Reaktionen
  • 2 - 4 Wochen bei bestimmten anderen Patienten (z. B. Patienten mit chronischem Durchfall oder Gedeihstörung)

Tritt keine Besserung der Symptome ein, ist es unwahrscheinlich, dass eine Kuhmilchallergie vorliegt. Es können jedoch Ausnahmen vorkommen, insbesondere bei Mehrfachsensibilisierungen. Bei Säuglingen mit ausgeprägten gastrointestinalen Symptomen, die sich durch die Verwendung einer hydrolysierten oder Sojanahrung nicht bessern, kann ein Versuch mit einer Nahrung auf Aminosäurebasis sinnvoll sein, bevor eine Kuhmilchallergie ausgeschlossen wird.1


4. Orale Nahrungsmittelprovokation

Wenn sich die Symptome während der diagnostischen Eliminationsdiät deutlich verbessern, sollte die Diagnose Kuhmilchallergie durch eine standardisierte orale Nahrungsmittelprovokation unter ärztlicher Aufsicht bestätigt werden.1

Bei einer anaphylaktischen/eindeutigen Sofortreaktion auf Kuhmilch und einem positiven spezifischen IgE-Bluttest auf den Allergenextrakt sollte Kuhmilch strikt von der Ernährung ausgeschlossen werden (siehe Schritt 5) und die orale Nahrungsmittelprovokation kann entfallen. Kuhmilch sollte mindestens ein Jahr lang aus der Ernährung eliminiert werden, bevor ein Facharzt eine orale Nahrungsmittelprovokation in Erwägung zieht.1

Kommt es zu einer Sofortreaktion auf Kuhmilch, wobei der spezifische IgE-Bluttest auf den Allergenextrakt jedoch negativ ausfällt, sollte eine orale Nahrungsmittelprovokation in einem Krankenhaus unter strenger ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden.1


5. Strikte Kuhmilch-freie Eliminationsdiät

Die strikte Vermeidung von Kuhmilch ist die sicherste Strategie bei der Behandlung von Kuhmilchallergie. Die folgenden Maßnahmen sollten ergriffen werden, um Kuhmilch aus der Ernährung der Patienten auszuschließen:1

  • Eine durch eine orale Nahrungsmittelprovokation bestätigte Diagnose einer Kuhmilchallergie oder
  • Anamnese einer anaphylaktischen/eindeutigen Sofortreaktion auf Kuhmilch und positiver spezifischer IgE-Bluttest auf den Allergengesamtextrakt

Abhängig von den Ergebnissen der Bluttests auf Allergenkomponenten können Patienten möglicherweise stark erhitzte (gebackene) Milch vertragen. Der Verzehr von kuhmilchhaltigen Backwaren kann die Entwicklung einer Toleranz gegenüber nicht erhitzter Kuhmilch beschleunigen.3


6. Erneute Untersuchung nach 6 - 12 Monaten

Patienten sollten nach etwa 6 - 12 Monaten erneut untersucht werden, um zu vermeiden, dass die restriktive milchfreie Eliminationsdiät nicht unnötig lange fortgesetzt wird.1,3 Die ernährungsphysiologischen Vorteile von Kuhmilch sind allgemein bekannt, und eine Einschränkung des Verzehrs von Kuhmilch, insbesondere im Kindesalter, kann zu verzögertem Wachstum führen.1 Regelmäßige Wiederholungsuntersuchungen mit Labortests und oraler Nahrungsmittelprovokation werden empfohlen.3


*Die folgenden Produkte sind als ImmunoCAP™ Bluttests verfügbar:
- ImmunoCAP Allergen f76, Allergen component nBos d 4 Alpha-lactalbumin, Milk
- ImmunoCAP Allergen f77, Allergen component nBos d 5 Beta-lactoglobulin, Milk
- ImmunoCAP Allergen e204, Allergen component nBos d 6 BSA, Cow
- ImmunoCAP Allergen f78, Allergen component nBos d 8 Casein, Milk

IgE: Immunglobulin E

Literatur
  1. Koletzko S, Niggemann B et al. Diagnostic approach and management of cow's-milk protein allergy in infants and children: ESPGHAN GI Committee practical guidelines. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2012;55(2):221-229
  2. Eigenmann P A, Atanaskovic-Markovic M et al. Testing children for allergies: why, how, who and when: an updated statement of the European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) Section on Pediatrics and the EAACI-Clemens von Pirquet Foundation. Pediatr Allergy Immunol 2013;24(2):195-209
  3. Matricardi P M, Kleine-Tebbe J et al. EAACI molecular allergology user's guide. Pediatr Allergy Immunol 2016;27 Suppl 23:1-250